Rainer Windisch im Gespräch mit der Thales-Akademie
Das folgende Gespräch mit der Thales-Akademie wurde ursprünglich in der agora42-Ausgabe 04/2016 abgedruckt, die noch bis Anfang Dezember 2016 an gut sortierten Kiosken erhältlich ist.
Thales-Akademie — Sie sind sowohl Unternehmer als auch Berater für Persönlichkeits- und Unternehmensentwicklung. In welcher der beiden Rollensehen Sie sich selbst vorrangig?
Rainer Windisch — Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Die Antwort lautet letztlich, dass ich mich gleichermaßen in beiden Rollen sehe. Denn wenn ich ein wirklich guter Berater sein will, muss ich wie ein Unternehmer denken und entscheiden können. Und wenn ich ein guter Unternehmer sein will, muss ich die Haltung eines Beraters einnehmen können, indem ich nicht nur in meiner Organisation arbeite, sondern auch an meiner Organisation. Ich muss immer wieder einen Blick vonaußen auf das Unternehmen und meine Rolle in dieser sozialen Organisation werfen können.
Inwiefern prägt dieser „Doppelblick“ Ihre Beratungsarbeit?
Er prägt mein ganzes Selbstverständnis, denn ich wollte als Berater nie einer dieser Methoden-Gurus sein, sondern ein Partner von Unternehmern und Führungskräften, der mit ihnen auf gleicher Augenhöhe arbeitet. Daher haben mich mittelständische Unternehmen immer besonders gereizt, denn dort laufe ich durch die Hallen und merke, dass es hier nicht primär um Unternehmens-politik, sondern um Wertschöpfung geht.
Ich glaube daher auch, dass die Zukunft der Unternehmensberatung nicht bei großen Beratungskonzernen liegt, sondern bei kleineren, spezialisierten und gut vernetzten Beratungen. Das fordern gerade die mittelständischen Unternehmen zunehmend ein. Dabei tritt die Frage in den Vordergrund, wie ich als Berater gemeinsam mit dem Unternehmer eine „Dramaturgie“ erarbeite, mit der sich die gesamte Organisation zu einem wirklich lebendigen Organismus entwickelt. Und das ist etwas ganz anderes, als zum x-ten Mal dieses oder jenes Management-Tool oder IT-Tool in ein Unternehmen einzuführen.
Gibt es ein durchgehendes Thema, das Ihre Beratungsarbeit durchzieht und das immer wieder angefragt wird?
Ja, und zwar, den unterschiedlichen Führungsebenen und allen Mitarbeitern deutlich zu machen, dass sie ein prägender Teil der Organisation sind. Mir geht es darum, für alle erlebbar zu machen, dass sie einen großen Teil ihres Lebens an diesem Ort verbringen und ihn folglich nach ihren Wertvorstellungen gestalten können – und auch sollten. Es geht darum, das Unternehmen als ein komplexes, wertegebundenes Ökosystem lebendig werden zu lassen.
Unternehmen bestimmen heute wie kaum eine andere soziale Organisationsform unsere Gesellschaft, obwohl sie historisch noch erstaunlich jung sind. Trotzdem haben sich Unternehmen mit Blick auf ihre Produkte, Größe, Rechtsformen und auch ihr Selbstverständnis sehr unterschiedlich entwickelt. Vielen Menschen fällt es daher heute schwer zu sagen, was das verbindende Band zwischen den zahllosen Unternehmensvarianten eigentlich ist. Was verbindet all diese unterschiedlichen Konstrukte aus Ihrer Sicht noch?
Ich erlebe diese Unterschiede gar nicht so drastisch. Alle Unternehmen verbindet, dass sie hierarchisch gedacht sind – auch wenn bei einem Unternehmen Schuhe und beim anderen Autos herauskommen. Wenn man von einer zu großen Heterogenität unternehmerischer Organisationsformen ausginge, würden die ganzen Managementkonzepte auch gar nicht unternehmensübergreifend funktionieren. Die Struktur der allermeisten Unternehmen ist also standardisiert. Das können wir sogar an uns selbst ablesen: Jeder weiß, was ein „Chef “ oder ein „CEO“ ist. Deren Rolle ist je nach Unternehmen zwar unterschiedlich definiert, aber letztlich sind das nur Nuancen. Und weil die Unternehmen hierarchisch strukturiert sind, hängt es stark von der Führungsspitze, also dem Inhaber oder dem Vorstand ab, ob es ein gutes Unternehmen ist. Denn nur von ihnen kann eine gewisse Ethik oder ein Verständnis der guten Unternehmensführung ausgehen.
Das deckt sich mit unserer Erfahrung, dass die Führungskräfte die obersten Kulturverantwortlichen eines Unternehmens sind. Allerdings ergibt sich hieraus auch ein Spannungsfeld, wenn man bedenkt, dass hierarchische Formen der Unternehmensführung immer mehr infrage gestellt werden – sowohl durch die Mitarbeiter als auch durch die Geschwindigkeit, mit der sich Märkte und Geschäftsmodelle verändern. Wie gehen wir mit dieser Infragestellung am besten um?
Ich glaube tatsächlich, dass starre Hierarchie-Modelle überholt sind. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir auf diese Weise eine hohe Produktivität geschaffen, und solange vor allem Informationen gebündelt und verwertet werden mussten, war das hierarchische Modell auch angemessen. Heute hingegen, da Informationen immer und überall verfügbar sind und zunehmend von Maschinen verwertet werden, funktioniert das Hierarchiemodell immer weniger – und es lässt sich gegenüber den Mitarbeitenden auch immer weniger legitimieren. Stattdessen wird es in zukunftsfähigen Unternehmen immer mehr darum gehen, Räume zu gestalten, in denen sich Intelligenz entfalten kann. Informationen sind dabei eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung mehr. Das Unternehmen muss also ein Ermöglichungsraum sein, in dem Intelligenz sinnstiftend produktiv werden kann.
Was bedeutet das für den Unternehmer oder angestellten Manager?
Mit dieser Einsicht wird sie oder er sich ganz andere Fragen stellen müssen. Etwa: Wie schaffen wir es, dass die Mitarbeiter das Unternehmen als Lebenswelt erfahren, zu der sie einen sinnstiftenden Beitrag leisten wollen? Wie lassen sich die Grenzen im Unternehmen so weit verflüssigen, dass es sich schnell den neuen Anforderungen anpassen kann, die durch die Echtzeit-Informationen des Internets und veränderte Marktbedingungen entstehen? Wie gelingt es mir, mich als Teil des Ökosystems Unternehmen zu erleben, zu dem auch ich meinen Beitrag leisten möchte? Ich bin überzeugt, dass die Herausforderung eines zukunftsfähigen Unternehmertums darin liegt, sozusagen co-evolutionär bei sich selbst „im Kopf “ und im Unternehmen Ermöglichungsräume zu schaffen, in denen sich Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln können.
Zu mir kommen daher auch nicht die Führungsverantwortlichen, die an die Zukunftsfähigkeit starrer Hierarchien glauben, sondern vor allem die „early adapters“, also diejenigen, die erkennen, dass übermorgen nicht mehr weit weg ist. Derzeit treibt sehr viele Führungskräfte die Frage um, was die „Fabrik 4.0“ eigentlich für das Management bedeutet. Im Moment wissen wir nur zwei Dinge: Die Internationalisierung wird bleiben, und die Digitalisierung wird zunehmen – auch das Management-know-how betreffend. Denn das Ziel dieser Entwicklungen besteht ja letztlich darin, dass eine Fabrik sich selbst steuert. Damit entstehen ganz neue Fragen, denen ich derzeit mit mehreren Geschäftsführern nachgehe: Welches Rollenverständnis wird die Führungskraft der Zukunft leiten? Was bedeutet es für die Unternehmen, dass neue Menschen mit anderen Wertesystemen hinein kommen? Wie binden wir diese Mitarbeiter mit ihrer Kreativität und Intelligenz an das Unternehmen? Brauchen wir noch Hierarchien, und wenn nein: Wie könnte ein anderes Organisationsmodell aussehen?
Für mittelständische Unternehmen, die häufig aus einer familiengeprägten, patriarchalischen Tradition kommen, ist der Abschied von alten Hierarchie-Modellen oft eine besondere Herausforderung. Wie kann ein solcher Weg dennoch gelingen?
Das Hauptproblem auf dem Weg zu einem weniger hierarchischen Unternehmen besteht darin, dass sich Eigentümerunternehmer, aber auch viele angestellte Manager oft zu stark mit ihrer Funktion identifizieren. Wenn dann eine Umstrukturierung und damit eine mögliche Beschneidung des eigenen Terrains ansteht, wird das für sie zu einer Identitätsfrage – obwohl es nüchtern betrachtet absolut sinnvoll ist, dass unterschiedliche Bereichsverantwortungen beispielsweise in eine Prozessverantwortung übergehen.
Es geht darum, dass wir wegkommen von der Fixierung auf Funktionen, die zu eng am Ego kleben und stattdessen hinkommen zu einem flexiblen Rollenverständnis. Wenn ich dort angekommen bin, kann ich eine Rolle auch mal abgeben und sagen „Hey, ich hab noch drei oder vier andere Rollen“, oder ich kann mich fragen: „Wo gibt es Handlungsbedarf, der mit einer bestimmten Rolle bedient werden müsste?“ In zukunftsfähigen Organisationen werden Rollen, die keinen Sinn mehr machen, weil sie beispielsweise digitalisiert wurden, selbstverständlich aufgegeben. So werden auch neue Rollen geschaffen, die es früher nicht gab. Ich rede daher ganz bewusst nicht von „Stellen“, sondern von viel fluider gedachten Rollen und Verantwortungsfeldern. Das ist ein Riesenschritt, und er hat zwangsläufig auch ein neues Organisationsverständnis zur Folge.
Die Kultur, die in einem Unternehmen herrscht, zeigt sich bei aufmerksamer Beobachtung erstaunlich schnell: durch die Art, wie Vorgesetzte mit Mitarbeitern umgehen, wie Kollegen einander begegnen, durch die kleinen Begegnungen und Gesten der Menschen. Wie „ermitteln“ Sie die Kultur eines Unternehmens?
Ich mache keine Analysen, sondern laufe einfach durch. Ich schaue etwa, wie transparent die Menschen mit Zahlen umgehen oder setze mich ins Management Meeting, um zu sehen, wie hier geredet wird, welche Begrifflichkeiten und Metaphern benutzt werden. Reden die Führungskräfte eher im militärischen Jargon wie etwa „Wir müssen unsere Stellung am Markt verteidigen“? Anschließend schreibe ich ein Diskussionspapier, auf dem ich zusammentrage, was ich wahrgenommen habe. Das schicke ich den Verantwortlichen, und darüber kommen wir in den Dialog. Aus diesem Kern entwickelt sich die Dramaturgie der Zusammenarbeit.
Sind alle in dieser Weise ansprechbar, oder haben Sie auch schon Fälle erlebt, in denen die Verantwortlichen einen solchen Weg nicht mitgehen wollten?
Aber klar! Sie müssen bedenken: Wovon wir hier reden, hat nichts mit Sozialromantik zu tun. Denn auf diesem Weg werden Menschen mit ihren Stärken und Schwächen transparent. Und dabei wird schnell klar, wer diesen Weg mitgehen will – und auch kann. Es ist oft so, dass in diesem Prozess ein Drittel der Führungskräfte geht oder gegangen wird, weil sie mauern oder weiter ihre politischen Spielchen spielen. Das spreche ich bei den Großveranstaltungen mit allen Mitarbeitern auch an und sage: „Ihr habt nun alle die gleiche Chance. Arbeitet an euch und an der Organisation. Ihr seid alle eingeladen, den Weg mit zu gehen. Wer den Weg nicht mitgeht will, der ist frei zu gehen.“ Und dann gibt’s auch Auflösungsverträge. Aber das ist nichts prinzipiell Schlechtes, sondern Teil eines ehrlichen organischen Prozesses. Denn auch wenn das jetzt provokant klingt: In jedem Organismus gibt es einen Verdauungs- und Ausscheidungstrakt. Kein Organismus ist in der Lage zu funktionieren, wenn er alles hält, was in ihn hineinkommt. Er prüft immer wieder: Was macht noch Sinn? Was ist noch Teil des Gesamtorganismus? Wer unterstützt das Ganze auf gute Weise?
Welchen Stellenwert haben Umsatz-, Gewinn- und Verlustzahlen in diesem Veränderungsprozess, der immerhin das Selbstverständnis einer ganzen Organisation und der in ihr wirkenden Menschen betrifft?
Zahlen werden bei solch einem Organisationsverständnis lediglich zu einem Anker für ehrliche Gespräche – und gerade nicht zu unerbittlichen Kennziffern, die kontrolliert und daher allzu oft auch manipuliert werden. So entsteht ein neuer Umgang mit Zahlen. Es wird für alle wichtig zu begreifen: Wir tragen gemeinsam Verantwortung. Nicht nur für die 2000 Leute, die hier arbeiten, sondern auch für die Familien, die hinten dranhängen. Und aus dieser Verantwortung heraus machen wir die Zahlen ehrlich transparent. Auch wenn das bedeutet, dass eigene Unzulänglichkeiten sichtbar werden. Dann muss der Vorstand oder Geschäftsführer aber auch umgekehrt seiner Verantwortung nachkommen und den Mitarbeitern beispielsweise Einzelcoaching ermöglichen, damit sie herausfinden können: Was ist mein Anteil an einem bestimmten Problem, wo kann ich noch besser werden, und was lag einfach nicht in meiner Hand?
Oder ich biete ein Gruppen-Coaching an. Das ist ein hierarchiefreier Raum, in dem jeder ein aktuelles Thema vorstellt, bei dem sie oder er nicht weiter weiß. Anschließend wird gemeinsam entschieden, welches Thema wir uns genauer anschauen. Von dem Moment an ist das Thema nicht mehr „sein“ oder „ihr“ Thema, sondern unser gemeinsames Thema, bei dessen Lösung es um Team-Intelligenz geht: Zuerst sammeln wir die Auffälligkeiten des Problems. Anschließend sammeln wir Hypothesen, worum es hier im Kern eigentlich geht, welches „Schauspiel“ sich hier eigentlich abspielt: Ist es eine Tragödie oder eher eine Komödie? Was ist die treibende Kraft dahinter? Welche Hürden stehen der Lösung im Weg? Im dritten Schritt entwickeln wir gemeinsam Lösungsszenarien. Es ist wirklich erstaunlich, wie dankbar die betreffende Person, aber auch alle anderen nach diesen eineinhalb Stunden sind und wie verändert alle auseinander gehen. Hinter diesen „hierarchiefreien Zonen“ steckt die Idee, Räume zu schaffen, in denen Fragen und Herausforderungen konkret und kollektiv erlebbar werden. Denn gerade über Werte wie etwa Vertrauen, Transparenz und Offenheit lernen wir zwar auch aus Büchern, vor allem aber über konkrete eigene Erfahrungen.
Wie versuchen Sie selbst, solche Einsichten in Ihrer Rolle als Unternehmer umzusetzen? Spiegelt sich etwas hiervon im Grünhof
Aber ja! Zum einen ist der Grünhof für uns eine hierarchiefreie Zone. Es gibt zwar zwei Geschäftsführer, aber das bedeutet nur, dass die beiden Rollen ausüben, mit denen sie Verantwortung auf gewissen Feldern übernehmen. Es bedeutet nichts für den alltäglichen Umgang miteinander. Wichtige Fragen werden offen diskutiert, alle relevanten Geschäftszahlen sind transparent, es wird mit Methoden und IT-Lösungen gearbeitet, die fluide Strukturen unterstützen, und es gibt einen kontinuierlichen Persönlichkeitsund Unternehmensentwicklungsprozess. Keiner hier glaubt, dass er oder sie fertig ist oder dass das Unternehmen fertig ist, sondern jeder ist dafür verantwortlich, sich selbst und das Unternehmen kontinuierlich weiter zu entwickeln.
Zum anderen sollen bei uns auch die Räumlichkeiten das abbilden, was hier im Idealfall stattfindet – nämlich unfertige Exzellenz, ergebnisoffene Prozesse und zugleich Transparenz und Agilität. Dieser Ansatz kommt vom Design Thinking, der besagt: Ein Raum muss zu der Art von Intelligenz passen, die in ihm stattfinden soll. Und umgekehrt prägt auch der Raum durch seine Einrichtung die Art des Miteinanders, die in ihm entsteht.
Für uns ist ein Unternehmen in erster Linie ein Vehikel, um gemeinsam etwas Gutes und Sinnvolles in die Welt zu bringen. Dass mit dem Grünhof Geld verdient wird, zeigt nur, dass wir im bestehenden wirtschaftlichen System anschlussfähig bleiben müssen, um weiter zu existieren, aber es ist nicht das Ziel der Unternehmung. Und das ist etwas ganz anderes, als das Unternehmen als eine Art Maschine zu verstehen, die ich optimieren muss, um mit ihr möglichst hohe Gewinne zu erzielen.
Wenn wir diesem Unternehmensverständnis folgen, drängt sich die Frage auf, was dann einen guten Unternehmer auszeichnet. Wie lautet hier Ihre Antwort?
Das erste und wichtigste Kriterium ist Präsenz, also zum einen geistige Wachheit und Offenheit für Einsichten, Ideen und andere Menschen. Der zweite Aspekt ist das Bedürfnis, etwas zu machen, also wirksam zu werden in der Welt und in dem Bewusstsein zu leben: Das möchte ich schaffen. Der dritte Aspekt ist Demut, und zwar als Grundhaltung gegenüber der ganzen Unternehmung. Damit meine ich aber nicht Selbstunsicherheit, sondern die Haltung: „Eigentlich weiß ich gar nicht wirklich, wie es funktioniert, aber ich bringe meinen Anteil ein und vertraue darauf, dass es sich gut entwickelt.“
Um eine These zu wagen: Gerade für Führungskräfte bedeutet „Demut“ aber auch die Herausforderung, sich selbst als Diener der Organisation zu verstehen und die Grenzen der eigenen Bedeutung wahrzunehmen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, das sehe ich als ganz zentrales Moment. Auch deswegen, weil die Fähigkeit zur Demut großen Einfluss auf den ersten Aspekt hat: Wer seine Demut verliert, verliert auch die Präsenz und Achtsamkeit, die für die erfolgreiche Unternehmensführung immer notwendiger ist. Denn Menschen, die wissen, dass sie nicht alles können, suchen sich gute Leute, die ihre eigenen Schwächen ergänzen.
Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele, also von sich selbst endlos überzeugte, patriarchalische Führungskräfte, die ihr Unternehmen im betriebswirtschaftlichen Sinn erfolgreich führen. Aber das funktioniert nur so lange, wie das Geschäftsmodell funktioniert, denn der Erfolg beruht nicht auf der Kultur des Unternehmens. Wenn sich dann die Märkte und Produktanforderungen verändern, geraten diese Firmen schnell in Schwierigkeiten, weil sie nicht die notwendige Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft haben.
Zur Demut gehört auch die Fähigkeit, eigene Fehler einzugestehen. Welche Fehler haben Sie selbst als Unternehmer gemacht, obwohl Sie aus Ihrer Beratungserfahrung vielleicht wussten, dass es der falsche Weg ist?
Als ich mit meinem Bruder die Immobilienfirma gegründet und aufgebaut habe, war es unser Ziel, denkmalgeschützte Häuser ökonomisch wertbeständig und ökologisch nachhaltig zu entwickeln. Damit waren wir schnell sehr erfolgreich. Aber genau in dieser anfänglichen Wachstumsdynamik haben wir uns viel zu wenig Zeit genommen, um an der Unternehmung als ganzer zu arbeiten, anstatt immer nur den neuesten Auftrag zu beackern. Obwohl ich es immer predige, haben wir uns selbst damals keine Struktur auferlegt, um regelmäßig über die Werte und die Entwicklung des Unternehmens nachzudenken. Ich sage jedem, wie wichtig das ist – und habe mich damals selbst nicht daran gehalten. Andernfalls wäre es zwischen uns sicher besser gelaufen, auch wenn ich meine Anteile früher oder später trotzdem verkauft hätte.